Schon seit einigen Jahren liegt der Selbstversorger-Garten im Trend. Fast jede*r den ich kenne, baut mehr oder weniger viel Gemüse oder Obst zu Hause an. Doch woher kommt dieses Bedürfnis?
Den Pflanzen beim Wachsen zu sehen, Unkraut jäten und Gemüse oder Obst ernten – das erfüllt einen häufig mit tiefer Zufriedenheit und Ruhe. Ganz nebenbei hat man in den meisten Fällen saisonale und regionale Bioqualität in seinen Händen, die kein Wochenmarkt toppen kann. Hier kommt nun der versprochene ausführliche Text zum Thema.
Inhaltsverzeichnis
Die Vorteile liegen auf der Hand
- Ich weiß, woher mein Gemüse & Obst kommt
- Das Bewusstsein für Lebensmittel wächst
- Kinder lieben es i. d. R. im Garten mitzuhelfen
- Kleinerer ökologischer Fußabdruck
Theorie & Praxis
Nach Fertigstellung des Textes ist uns aufgefallen, dass Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander gehen.
Es sind so viele Dinge zu berücksichtigen und eigentlich möchte man doch am liebsten sofort loslegen.
Daher haben beschlossen zuerst mit dem praktischen Teil zu beginnen, denn dieser interessiert unsere KundInnen viel häufiger.
Und für all jene, die das Beste aus Ihrem Garten holen wollen und echte Selbstversorger werden möchten, gibt es den Theorie-Teil in der zweiten Artikelhälfte sowie fortlaufende Neuerungen (die Links werden in unregelmäßigen Abständen ergänzt)
Wir beginnen
Die ersten Schritte zum Reinschnuppern kann man auf wenigen Quadratmetern machen. 5-10 m² reichen für den Anfang oft schon, man kann sich mit den Jahren ja immer noch steigern.
In 3 bis maximal 5 Jahre gelangt man vom Start mit wenigen m² zum Selbstversorgergarten auf der errechneten Fläche.
Doch was, wenn weit und breit kein eigener Garten in Sicht ist?
- auf Terrasse und Balkon lassen sich Tröge und manchmal sogar Hochbeete aufstellen
- viele Gemeinden bieten inzwischen Gemeinschaftsgärten an, für die man sich bewerben kann
- in ländlichen Gebieten kann man umliegende Bauern um Flächen zur privaten Nutzung bitten
- in den Städten hat man hoffentlich die Chance auf einen Platz in einer Kleingartensiedlung aka Schrebergarten
Schritt für Schritt zum Selbstversorger-Garten
Obstbäume
Der erste Schritt beginnt mit der Pflanzung der Obstbäume und Beerensträucher. Diese sogenannten "Selbstläufer" brauchen am längsten bis zur ersten Ernte, dafür dann hat man über mehrere Jahre relativ regelmäßig Erträge (hauptsächlich wetterbedingte Schwankungen!).
Säulenobst kann sogar in große Kübel oder Tröge gepflanzt werden. Leider werden sie generell nicht besonders alt (ca 20-25 Jahre). Dasselbe gilt für Zwergobstbäume, jedoch tragen diese schon relativ früh.
Halbstämme sind schon etwas geschickter. Zum Beispiel als Spalier an der Hauswand gezogen hat man direkt eine große Fläche mit regelmäßiger und auch ertragreicher Ernte, die wenig Platz braucht und keinen Schatten auf potenzielle Gemüseflächen wirft.
Ideal sind natürlich die Hochstämme, sie werden sehr alt und gewähren so über Jahre hinweg verlässlich volle Erntekörbe.
⇒ Nachteile der Hochstämme:
- dauert am längsten bis zur ersten Ernte
- aufwendige Erziehungsschnittmaßnahmen sind notwendig
- man braucht zusätzlich viele m² Land; eine gemeinschaftliche Streuobstwiese kann diesen Punkt jedoch ausgleichen.
Beerensträucher
Obstgehölze wie Ribes (Johannisbeeren), Stachelbeeren oder Heidelbeeren kommen an die Ränder des Selbstversorger-Gartens. Sie können teilweise auch beschattet stehen oder als Unterpflanzung zu großen Obstbäumen.
Kletterer
Weintrauben und Kiwi sind ideal für Pergolen, Terrassen- und Balkongeländer. Auch sie brauchen bis zum ersten Ertrag ein paar Jahre.
Gemüsebeete - Grundlagen - Lage, Boden, Beetbreiten
Die ideale Lage der Gemüsebeete
Sonnig und eben, eine leichte Hanglage ist möglich, am besten Süd bis Süd-West ausgerichtet.
Steile Hänge sind etwas schwieriger zu bewirtschaften. Ein Terrassierung hilft ungemein, quasi Hochbeete im Hang.
Je mehr Sonne, desto besser natürlich, es gibt jedoch einige Gemüse und Kräuter, die im Halbschatten und sogar Schatten gut gedeihen. Die meisten Gemüse brauchen jedenfalls 6 Sonnenstunden oder mehr pro Tag, Nachmittagssonne ist wertvoller.
Bodenbeschaffenheit und Bodenvorbereitung
Die Beetbreite: liegt zwischen 0,75 und 1,2 Meter damit man easy entweder breitbeinig über den Beeten steht und bearbeitet oder ab 0,9 Meter von beiden Seiten ins Beet gelangt. Die Längen sind frei und variieren von Garten zu Garten abhängig von den eigenen Gegebenheiten.
Ideal wäre ein lockerer, humoser sowie durchlässiger Boden. Hat von Haus aus leider kaum einer automatisch vor sich, d. h. in den meisten Fällen kommt man um eine Bodenverbesserung nicht herum. Fast immer reicht es schon Kompost aufzubringen, manchmal auch etwas Sand unterzumischen. In seltenen Fällen lebt man, wie ich zum Beispiel, in einem Gebiet, in dem Lehm vorherrschend ist: da muss man schon mehr tun, Kompost, feiner Kies oder Sand und mulchen, mulchen, mulchen – da heißt es Geduld mitbringen. Lehmboden ist auch der einzige Boden, bei dem ich umgraben würde. Hier gehts noch zu den Profitipps!
Die jährliche Bodenbearbeitung
Weniger ist mehr bedeutet in diesem Fall, weniger Umgraben ist besser für den Boden.
Alle Beete werden im Herbst dick gemulcht und im Frühling mit frischem Kompost gefüttert. Achtung: die Kompostmenge ist abhängig von der Kultur, die in das Beet kommt! – Fruchtfolge beachten
Hinweis zum Mulchen: im Herbst die Beete mit einer Mulchschicht abdecken oder rechtzeitig eine Winter- bzw. Zwischenfrucht ansäen. Die Mulchschicht sollte zwischen 5 cm und 10 cm stark sein. Bitte unbedingt ab Ende Jänner/Anfang Februar, wenn es wieder wärmer wird, die Mulchschicht entfernen, damit sich der Boden darunter erwärmen kann (sonst speichert der Mulch die Kälte im Boden, und das wollen wir ja auf keinem Fall)
Die Gemüsekulturen
Als absoluter oder relativer Gemüsengartenneuling beginnt man mit Gemüsekulturen die relativ einfach sind. Dazu zählen unter anderem Spinat, Radiesschen, Rote Rüben, Mangold, Karotten, Kohlrabi, Zucchini, Buschbohnen und natürlich Salate. Ab dem zweiten Jahr darf man sich schon über anspruchsvollere Kulturen trauen.
Die Gemüsekulturen unterscheiden sich aufgrund ihrer Nährstoffansprüche in Starkzehrer, Mittel-starkzehrer und Schwachzehrer. Diese Kulturen sollen sich, im Sinne der Fruchtfolge, in eben dieser Reihenfolge abwechseln, inkl. einer Gründüngung. Bitte auch beachten: Pflanzen einer Familie sollten idealerweise nicht aufeinander folgen.
Beispiel für eine Beetbepflanzung
Eine Vorkultur aus Salat und Radieschen, 2 Hauptkulturen aus Karotten, +Zwiebeln, sowie Kohlrabi und danach die Nachkultur aus Rote Rüben/Mangold und Spinat sowie Wintersalate. Damit wäre das Beet ideal ausgenutzt und das ganze Jahr bepflanzt.
Außerdem wurde berücksichtigt, dass sich Karotten und Zwiebeln gegenseitig unterstützen und die Möhrenfliege durch den Zwiebelduft abgewehrt wird. Des Weiteren: die Rote Rüben bilden Knollen, der Mangold nebenan Blätter - sie sind sich also beim Wachsen nicht im weg.
Merke: hohe Gemüse neben niedrig wachsenden, Tiefwurzelnde neben Flachwurzler, dazwischen immer wieder Kräuter und Blumen (zum Beispiel essbare Blumen, Deko)
erste Mischkulturtipps:
- Bohnen + Blumenkohl
- Gurke + Fenchel
- Lauch + Knollensellerie/Sellerie
- Rote Rüben + Knoblauch
- Tomate + Sellerie oder Tomate + Kohl
- Rettich/Radieschen + Kohlrabi
- Karotten + Sellerie
- Bohnen + Erbsen
Die Kräuter
Es muss nicht immer eine Kräuterschnecke oder ein Kräuterbeet sein. Die Kräuter zum Gemüse oder an den Rand der Beete zu pflanzen, ist oft die bessere Entscheidung. Viele Kräuter unterstützen das Gemüse, sei es in Form von Insektenschutz, als Geschmacksverstärker oder zur Bodenverbesserung.
Einige Beispiele:
- Bohnenkraut + Bohnen
- Petersilie + Radiesschen
- gegen (wenige) Kartoffelkäfer hilft Pfefferminze, Kapuzienerkresse oder Kren
- Pfefferminze kann zusätzlich den Kohlweißling und Kohlerdflöhe fern halten
- Knoblauch + Erdbeere = gegen die Erdbeermilbe
- Karotten + Zwiebel oder Lauch = gegen Lauchmotte, Möhrenfliege
- Tagetes und Ringelblumen zwischendurch schützen den Boden vor Nematoden, besonders die Tagetes ist da sehr hilfreich
Step by Steb durchs Gartenjahr
- Das Gartenjahr beginnt Ende Februar mit der Anzucht der ersten Gemüsekulturen
- Pikieren 2-3 Wochen nach der Keimung in Töpfe
- Ab Ende März können die ersten gut durchwurzelten Setzlinge unter Vlies ins Freiland
- empfindliche Kulturen wie Zucchini, Gurken oder Tomaten erst nach dem letzten Frost im Mai
- Achtung: Pflanzabstände einhalten - stellt euch vor, wie groß die Pflanze bei der Ernte ist
- Achtung: beschatten sich die Pflanzen gegenseitig?
- gießen, aber richtig: direkt auf die Erde- durch die Mulchschicht auf ein Minimum reduziert = so viel wie notwendig und so wenig wie möglich, gilt auch für Hochbeete und Pflanzgefäße
- Zwischendurch: Kontrolle auf Schädlinge, Pilze und Krankheiten
Werkzeuge und hilfreiches Zubehör
- Vlies zum Abdecken und vor Frost schützen
- Netz um die Kulturen vor Schmetterlingseiern und somit Raupenfraß zu schützen – Kohlweißling am Kohl, Schwalbenschwanz an Karotten und Fenchel, Tomaten – Gemüseeule
- Ansaaterde, Anzuchtgefäße, -töpfe und Erde für die Jungpflanzen nach dem Pikieren
- Werkzeuge wie Spaten, Harke, Grabgabel und Schaufel
- Gartenscheren, Messer und Handschuhe
- Bewässerungsmöglichkeit – Schlauch, Gießkanne
- Rankgitter und -Stäbe (Baustahlgitter, Zaunelemente)
- möglichst biologische nützlingsschonende Mittel gegen die Pilzkrankheiten
- Nützlinge gegen Schädlinge
- Schneckenschutz
Theorie-Teil zum Selbstversorger-Garten
Wie viel Fläche brauche für einen Selbstversorger-Garten?
Man rechnet pro Person etwa mit 100 m² und zusätzlich 40-50 m² pro Person für Kartoffeln. Dazu kommen noch 20 % Wegflächen.
Außerdem einen hellen Platz im Haus für die Vorkulturen im Februar/März bei 16-18 °C.
Zusätzlich Lagerräume und Stellagen für die Obst- und Gemüsekisten sowie die haltbar gemachten Köstlichkeiten.
Planung und die ersten Schritte
Als ersten Schritt hält man fest, welches Obst, Gemüse und welche Kräuter man benötigt. Dazu empfiehlt es sich über mehrere Monate Aufzeichnungen zu führen, um dann auf ein Jahr hochzurechnen. So bekommt man einen ganz guten Überblick, was man so alles braucht.
Saisonales wie Kürbis, Spargel, Erdbeeren oder Marillen mit einplanen, denn das gibt es vielleicht nicht zwangsläufig während dieser Vorbereitungsphase.
Wie viel Zeit brauche ich für meinen Garten?
Auch wenn man klein beginnt – täglich sind je nach Erfahrung und Größe 30-90 Minuten im Gemüsegarten zu verbringen.
Es gilt zu jäten, düngen, wässern oder mulchen. Außerdem Schädlingskontrolle und -bekämpfung und natürlich zu ernten.
Dazu kommen noch die Vorbereitungszeiten wie Jungpflanzenaufzucht, Saatgutkauf und Planung sowie die Zeit fürs Haltbarmachen. Diese sollte auf keinen Fall unterschätzt werden, vor allem zur Haupterntezeit im Sommer, wenn die Zucchini, Gurken und Tomaten reif sind und im Herbst mit Kürbis, Karotten, Zwiebeln und sämtliches Obst, das ebenfalls von Sommer bis Herbst reift.
Eine Zeittabelle hilft da sehr. Sie beinhaltet die Eckdaten für Aussaat, Pflanzung, Düngen, Jäten, Kontrolle, Ernte sowie Haltbarmachen/Konservieren des Erntegut (einkochen, einlegen, einfrieren, trocknen, lagern)
In fast allen Fällen können wir davon ausgehen, dass auf der geplanten Fläche aktuell noch Rasen oder Wiese gedeiht.
Die einfachste Methode: eine Folie auslegen und warten, bis der Rasen darunter abstirbt.
Es gibt zwei extreme bei den Böden und jede Menge dazwischen. Für die beiden, die am weitesten auseinander sind gilt: schwere Lehmböden, in der Regel basisch vom ph-Wert, empfiehlt sich folgende Herangehensweise: im Herbst umgraben oder noch besser: eine tief wurzelnde Gründüngung einsäen, zusätzlich mit Sand aufbessern. Außerdem regelmäßig dick mit Laub, Rasenschnitt und gehäckselten Ästen und Stauden mulchen.
Sandige Böden sind tendenziell eher etwas sauer und brauchen unbedingt eine ständige Mulchschicht sowie zusätzlich ausreichend organisches Material (auch als Gründüngung) um Humus aufzubauen.
Eine weitere Methode den Boden durch Abdecken umbauen zu lassen: Da gibt es eine sehr bekannte Methode, bei der die Fläche mit ungedruckten Kartons abgedeckt wird. Darauf kommen dann 5 cm Kompost oder Bodenaushub (z. B. von einer benachbarten Baustelle). Viele Gemeinden stellen auch kostenlosen Kompost für die BewohnerInnen zur Verfügung. Theoretisch kann man hier jetzt schon die ersten Setzlinge auspflanzen. Bin persönlich aber eher ein Fan davon, diese Methode im Herbst zu anzuwenden und zusätzlich die gesamte Fläche noch dick mit Laub, Grasschnitt und Häckselgut vom Strauchschnitt zu mulchen und erst im Frühling dann die Fläche anzupflanzen.
⇒ Vorteil beim Anlegen im Herbst: man kann auch halbfertigen Kompost verwenden, denn dieser baut über den Winter weiter um.
Alternativ kann man auch die Oberfläche fräsen – hier bitte die Grassoden akribisch entfernen (siehe Bild oben)!
Fruchtfolgen im Selbstversorger-Garten
Ein entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Arbeit und Ernte sind die Fruchtfolgen. Über Rotationen in den Beeten kann man diese relativ leicht erreichen. Sie tragen einen entscheidenden Beitrag zur Erhaltung der Bodengesundheit bei. Sie sind mitverantwortlich, ob der Boden ermüdet oder langfristig gesund genutzt werden kann.
Profitipp
Erst alle 4 bis 8 Jahre wiederholt sich eine Kultur(familie) im Beet = Anbaupausen!
Einteilung der Beete
Um möglichst effektiv die Beete zu nutzen, macht es Sinn, die Gemüsearten in Vor-, Haupt- und Nachkulturen zu gruppieren. Aus diesen heraus ergeben sich die oben beschriebenen Fruchtfolgen. Am Anfang kommt man ohnehin kaum ohne Listen aus, in denen die Saatzeitpunkte und die Kulturdauern vermerkt sind, dort kann man auch die Kulturgruppen führen.
Zusätzliche Notizen zu den Düngezeitpunkten und auftretenden Schwierigkeiten vervollständigen die Dokumentation.
Pflanzplan erstellen
Je genauer ich den durchdenke und mir genug Zeit damit lasse, desto effizienter kann ich arbeiten.
Folgende Punkte möglichst direkt einbeziehen:
Größe der Gesamtfläche, Gemüsearten, benötigte Mengen, Aussaatzeitpunkte, Pflanzzeitpunkte oder Direktsaat, Mischkulturen oder Fruchtfolgen über Rotationsflächen bzw. Schwerpunktbeete (Fruchtgemüse, Wurzelgemüse, Blattgemüse, Frühling/Wintergemüse) gewährleisten.
Zusammenfassend kann man sagen, dass das Projekt Selbstversorger-Garten äußerst umfangreich ist, man jede Menge Wissen braucht, sich stets weiterbildet, und auf alle Fälle jede Menge Spaß haben wird.